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8. Dezember 2011, es ist wieder mal soweit. Leider! Der Fahrplanwechsel steht bevor und auch in Tschechien müssen ein paar Strecken „dran glauben“. Seriös gesagt, die Bedienung dieser Strecken im Schienenpersonennahverkehr wird eingestellt. Grund genug eine dreitägige Tour in den Kreis Pardubice zu starten. Dieser Kreis hebt sich im Dezember 2011 mit den meisten Einstellungen hervor. Glücklicherweise konnte ich für die Anreise bis Brno noch ein Europa-Spezial ergattern, die Freifahrscheine für Eisenbahner will ich mir noch für eine andere Tour aufheben. So rolle ich im ab Dresden 20 Minuten verspäteten EC 171 bis nach Brno. Der České dráhy gelingt es noch die Verspätung um 10 Minuten zu reduzieren, meine Übergangszeit in Richtung Prostějov beträgt aber ohnehin fast eine Stunde. Die wird zuerst genutzt, um mir bereits eine Fahrkarte für den Sonnabend von Děčín in die Heimat zu lösen. Dieser Wunsch stößt bei der Verkäuferin zwar auf etwas Verwunderung, aber irgendwann findet sie in ihrem Computer sogar das von mir ausgewählte Ziel Coswig (b Dresden). Schließlich hatte ich dieses bereits vorab im sehr empfehlenswerten IDOS-Fahrpreisrechner gefunden. Ein Ausdruck der dort vorab ermittelten Reiseverbindung inklusive des tariflichen Preises erleichtert solch „exotischen“ Fahrkartenkäufe ungemein.
Nach ein paar Fotos im aus meiner Sicht nicht sehr fotogenen Brünner Hauptbahnhof -hier einer der "Wendezüge" bis Brno-Malomìøice- geht es dann mit dem R 907 bis Prostějov weiter. Inzwischen ist es völlig finster, ein Nachteil solcher Abschiedstouren im Winter. Die Befahrung der Strecke bis Chornice bleibt also eher eine statistische Aktion, auf meiner Karte abgefahrener Strecken kann ich sie nun auch grün markieren. Das ist insbesondere für den Abschnitt Dzbel – Chornice und weiterführend bis Moravská Třebová interessant, denn dort verkehrt in ca. 50 Stunden für lange Zeit der letzte Personenzug.
Dzbel bei Nacht, für den kleinen Plausch unter Eisenbahnern ist hier noch Zeit. Wenige Zeit später wandle ich über
den fast menschenleeren Marktplatz von
Moravská Třebová (Mährisch Trübau). Ich habe mir das Třebovská restaurace als Quartier auserkoren, man hat dort auch ein paar Zimmer zu vermieten. Und die Küche in diesem Haus ist einfach hervorragend. Inzwischen das zweite Mal zu Gast bleiben noch mindestens fünfzehn Hauptgerichte, die ich ausprobieren könnte. Da die Verbindungen über die einzustellenden Strecken schon im letzten Fahrplanjahr sehr lückenhaft sind habe ich am Morgen des Freitags noch etwas Zeit für einen Bummel durch das durchaus ansehnliche Städtchen. Im touristischen Höhepunkt der Stadt, dem Schloss entdecke ich eine Karte mit dem Hinweis auf den 2009 neu errichteten Aussichtsturm Pastýřka. Angesichts des inzwischen aufgehörten Regens fasse ich den folgenreichen Entschluss mal zu diesem Aussichtsturm zu wandern. Die Entfernung dürfte annähernd die gleiche wie zum Bahnhof zu sein, also müsste es „dicke reichen“. Nur habe ich zwei Faktoren nicht bedacht, zum einen den zusätzlichen Höhenunterschied und zum anderen die recht rutschigen Wege durch Wald und Wiese. Und die ganze Anstrengung nur für dieses völlig grottenschlechte Bild. Aber: „Ich war oben!“. Inzwischen hat auch der Regen wieder begonnen, noch ein Grund mehr, schnellstens den Rückweg anzutreten. Fünf Minuten vor Abfahrt meines Zuges erreiche ich etwas atemlos den Bahnhof und „schocke“ die dortige Fahrkartenverkäuferin mit meinem Wunsch einer Fahrt nach Králíky über Skalice. Wer fährt denn freiwillig so einen Umweg? Gut, dass ich ihr den Ausdruck meiner Reiseverbindung vorlege, so wird es keine längere Diskussion mit ungleichen sprachlichen Voraussetzungen. Schließlich tuckert hinter mir bereits der Diesel meines Abschiedszuges von der Strecke Moravská Třebová – Chornice – Velké Opatovice. Verpassen möchte ich diesen Zug bei den wenigen Verbindungen nicht. Mit einem lachenden Gesichtsausdruck und der Frage „Tourist?“ übergibt sie mir wenig später meine Rundfahrkarte. Hinter mir trillert bereits eine Pfeife, glücklicherweise gilt sie aber dem Zug in Richtung Norden. Schlussendlich bleiben mir sogar noch 2 Minuten bis zur Abfahrtszeit und ich kann eine kleine Reisendenzählung vornehmen. Mit weiteren 23 Fahrgästen bevölkere ich die Brotbüchse 810 618 recht gut, trotzdem ist übermorgen Schluss auf dieser Bahnstrecke. Verstehe es wer will, zumal die Abfahrtszeit 11:03 nun wirklich nicht die stärkste Pendlerzeit ist. Trotzdem fährt man sogar nebst Beiwagen Btax bis Chornice. Der kurze Aufenthalt zum Entkuppeln schafft mir noch etwas Zeit für ein Abschiedsfoto von diesem Nebenbahn-"Knotenpunkt". Vorschriftsgemäß wird auch ein Tag vor dem Ende der zurückzulassende Beiwagen mittels Radvorleger gesichert. Und das Ganze unter den Augen eines schon nicht mehr rotbemützten Eisenbahners, der ab Übermorgen in einem anderem Bahnhof Dienst tun muss. Einige Wochen zuvor gab es während einer vorrangig fotografischen Tour zu den Strecken 262 und 271 im Bahnhof Chornice ein paar Impressionen bei wesentlich schönerem Wetter zu dokumentieren: Der "Goldene Hemmschuh" für den eisenbahnfeindlichsten Bezirk? Im Dezember 2011 hätte ihn sich Pardubice redlich verdient. Denn wenige Tage nach dieser Aufnahme war diese recht umfangreiche Abfahrtstafel leer! Niente, nada, nix, nichts, null ... Chornice zu Ende, ein symbolträchtiges Bild. Auch wenn der Triebwagen dem Fotografen entgegen kommt. Diese fünf Aufnahmen entstanden alle am 15.November 2011. Ein Glückstag hinsichtlich Wetter und weißer Lieferwagen... Wieder zurück auf Abschiedstour: Unterwegs sehe ich, dass ich bei meinem Erstbesuch an dieser Strecke keine wirklichen Topmotive verpasst habe, halt eine ganz normale Nebenstrecke in Böhmen/Mähren. Lediglich die monumentale Autobahnbrücke nördlich von Velké Opatovice, die trotz fast siebzigjähriger (allerdings ungenutzter) Standzeit noch fas wie neu aussieht, bleibt auf meiner Liste unerledigter Fotomotive. Aber vielleicht gibt es dort ja mal einen 831er-Sonderzug von Jiří Uher (oder anderen Veranstaltern), dann wäre ein Fotohalt an dieser Stelle Pflicht.
Die Umstiegszeit in Skalice nad Svitavou nutze ich für ein paar Standardfotos von den Triebwagen der Reihe 560. Diese habe ich bisher noch nicht allzu oft in meiner Sammlung, es ist aber auch schwierig nicht beschmierte Triebwagen dieser hauptsächlich in Ballungsgebieten eingesetzten Fahrzeuge zu erwischen. In Ústí nad Orlicí kommen leise Zweifel auf, ob die ČD nun ihren guten Ruf aufs Spiel setzen will. Laut meiner Reiseauskunft sollte der Sp 1669 in Richtung Polen dort beginnen. Verspätung in Höhe von 10 Minuten wird allerdings für einen Zug aus Richtung Pardubice angesagt. Wenn mir auch die tschechische Sprache inzwischen nicht mehr völlig fremd ist komme ich mit der Durchsage nicht so recht klar. Aber zahlreiche mit mir wartende Reisende werden schon nicht ohne Grund auf dem schmalen Bahnsteig zwischen den Gleisen stehen. Langsam wird es auch kälter und dunkler, so bin ich froh als der Zug dann endlich mit 17 Minuten Verspätung einrollt und ich sogar noch einen Fensterplatz ergattern kann. Aber auch alle Befürchtungen hinsichtlich meines Anschlusses sind gegenstandslos. Völlig selbstverständlich wartet in Lichkov die Brotbüchse auf die Fahrgäste Richtung Králíky. Nachdem sich der Strom der Reisenden aus drei Abteilwagen in diesen einen 810er ergossen hat ist die „Büchs voll bis unters Dach“… Im inzwischen ziemlich winterlichen Bahnhof Králíky fertige ich noch schnell ein Beweisfoto des in Richtung Èervená Voda entschwindenden Zuges. Anschließend
werden noch die Fahrkarten für den nächsten Tag gekauft. Über ziemlich glatte Wege stiefle ich nun ins Zentrum Králíkys, das Hotel „Goldener Schwan“ ist komplett mit deutschen Gästen belegt. Allerdings lässt die Ankunft von Teilen der „Combo in Sachen Eisenbahn-Abschiedskultur“ noch etwas auf sich warten. Irgendjemand muss da die Noten falsch interpretiert haben. Bildfahrpläne sind zwar eigentlich das Nonplusultra für den mobilen Eisenbahnfreund, aber nur, wenn sie alle Verkehrstageeinschränkungen enthalten Trotzdem sitzen schlussendlich alle bei einem gutem Holba und leckerer Knoblauchsuppe beisammen. Schön euch mal kennen zu lernen bzw. nach längerer Zeit wieder zu sehen. Der Rest der Tour ist relativ schnell erzählt. Nach dem gemeinsamen Frühstück trennen sich unsere Wege schon wieder, ich habe mir vorgenommen Štíty auch mal mit Sonne im Rücken zu fotografieren. Dafür bleibt nur das morgendliche Zugpaar übrig. Und kurz hinter Bílá Voda kommt nach vielen trüben Momenten in den letzten Tagen die Sonne tatsächlich hinter den Wolken hervor. Gemeinsam mit zahlreichen tschechischen Fans können so die letzten drei Haltepunkte in schönster winterlicher Atmosphäre auf Zelluloid oder Silizium gebannt werden. Bereits vor 3 Wochen während einer Vortour zur Abschiedstour war diese Bewölkungsgrenze in Höhe Bila Voda recht auffällig. Heroltice im schönsten Morgenlicht. In Štíty bleiben ganze 10 Minuten um den Triebwagen in allen möglichen Varianten abzulichten. Pünktlich 8.41 setzt sich 810 431 zur Rückfahrt in Bewegung, Adé Štíty. Der Umstieg in
Lichkov gelingt diesmal planmäßig, nur 100m hinterm Bahnsteig kommt unsere 163er
Zuglok noch einmal zum Stehen. Keine Ahnung welche Elektronen da verrückt gespielt
haben. In Ústí nad Orlicí
sorgen aber 10 Minuten planmäßige Aufenthaltszeit für
eine pünktliche Weiterfahrt durch das Tal, das nicht nur ich für eine zukünftige
Fototour auserkoren habe. Nur für die CD scheint der IC
1006 noch etwas Besonderes zu sein,
man spendiert ihm einen dunklen Zugzielanzeiger am Bahnsteig. Ein wenig schnuppert das Alles
nach unverhohlenem Konkurrenzgehabe. Irgendwann trifft dann auch mein EC ein und ich nutze die Fahrt über die mir nun schon recht bekannte Strecke zum Verfassen dieses Reiseberichts. In Děčín fallen noch drei abgestellte Wendezüge mit den neuen Steuerwagen der Reihe Bfhpvee295 Ins Auge. An einem hängt eine 163er im überarbeiten blauem Farbschema, es bleibt also weiterhin interessant auf tschechischen Schienen. Auch wenn leider die eine oder andere Nebenstrecke von der Streckenkarte verschwindet. **************************************************************************************** Zum Abschluss:
Es dauerte fast zwei Jahre bis
dieser Bericht in die unendlichen Weiten des Internets fand. Inzwischen ist ein
Teil der Strecken "wiedereröffnet", ein Teil wartet noch auf dieses
Ereignis. Bereut habe ich die damalige Tour keinesfalls, zu viele schöne
Begebenheiten waren zu erleben und es blieb mal wieder etwas Zeit in aller Ruhe
mit dem "Arbeitskreis Abschiedskultur" zu schwatzen. |